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In der Löwengrube

Über die mediale Darstellung von Frauen in männerdominierten Berufswelten.

©ZDF/Letterbox Filmproduktion/Sammy Hart

Noch immer erschweren gesellschaftliche Vorurteile den Karriereweg vieler Frauen. Es wird angenommen, das berufliche Verhältnis von Frauen untereinander sei eher von Zickenkrieg als Loyalität geprägt, Frauen würden durch gezielten Einsatz ihrer weiblichen Anziehung punkten und das Privatleben leide unter weiblichem Ehrgeiz. Umso wichtiger erscheint es, durch die mediale Darstellung notwendige Impulse zu setzen, die ein Umdenken anstoßen.

Aktuelle Produktionen wie BAD BANKS, TONI ERDMANN und DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN zeigen, mit welchen dramaturgischen Mitteln diese Stereotype umgangen werden können und wo Verbesserungsbedarf herrscht.

In Marie Kreutzer Berlinale-Beitrag DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN (2019) wird das Thema Solidarität durch das Verhältnis der Protagonistin, Unternehmensberaterin Lola, zu ihrer Vorgesetzten Elise illustriert. Verwickelt in eine heimliche Affäre macht Elise Lola stets Hoffnung auf eine Beförderung, begründet aber die Zusammensetzung eines rein männlichen Teams mit dem Vertrauensvorschuss gegenüber einem Kunden, „wenn wir hier verstärkt männlich auftreten“. Als Elise von Lolas schizophrener Schwester erfährt, ist die Beförderung endgültig vom Tisch, da Elise Lolas familiäre Fürsorge als Risikofaktor ansieht. Hier herrscht ein heteronormatives Machtverhältnis unter Frauen. Selbst unter Druck kann sich Elise keinen beruflichen Fehlgriff leisten, zahlt jedoch den Preis in Form von Medikamentenabhängigkeit.

In TONI ERDMANN (2016), Maren Ades oscarnominierter Vater-Tochter-Komödie, spielt Loyalität eine untergeordnete Rolle. Unternehmensberaterin Ines Conradi ist zu fokussiert auf ihren eigenen Erfolg, um ihre Assistentin Anca bewusst zu fördern. Dabei lässt Anca keinen Zweifel aufkommen, dass sie Ines als Vorbild betrachtet. Sie verhält sich fast unterwürfig, um ihre Erwartungen zu erfüllen. Doch diese passive und traditionell als weiblich verstandene Haltung erfährt nie eine Gegenleistung in Form realer Unterstützung.

Einen anderen Ansatz verfolgt Head-Autor Oliver Kienle in der ZDF-Erfolgsserie BAD BANKS (2018). Investmentbankerin Jana Liekams Gegenspielerin Christelle Leblanc verkündet, es gäbe keine Loyalität in der Finanzwelt: „Ab jetzt arbeiten Sie für sich“. Hier tritt ein Generationenkonflikt zutage, denn die fast doppelt so alte Christelle ist als Frau in einer Machtposition eine Sonderstellung in der männerdominierten Branche gewohnt. Jana hingegen verkörpert einen moderneren Ansatz. Sie begegnet dem argwöhnischen Verhalten ihrer Kollegin Thao offen kritisch und versteht es, gekonnt zu netzwerken, um ihr berufliches Anliegen zum Erfolg zu führen. Diese Eigenschaft überträgt sich auch auf die private Ebene, als Thao von der Polizei festgenommen wird und Jana sich trotz anfänglicher Differenzen um sie kümmert.

In allen Produktionen gleicht das berufliche Umfeld einer Löwengrube, in der die wenigen präsenten Frauen mit neugierigen Blicken und verbalen Herabsetzungen konfrontiert werden. So wird Jana in BAD BANKS trotz offensichtlicher Kompetenz wiederholt von männlichen Vorgesetzten als „sweetie“ und „the girl“ bezeichnet. Als ihr Vorgesetzter persönlich wird, wahrt Jana jedoch trotz unterschwelliger Anziehung professionelle Distanz. Im Gegenzug legt sie die fragwürdigen Methoden ihrer männlichen Kollegen offen, die durch gemeinsame Bordellbesuche potentielle Kunden für sich einnehmen wollen.

Auch Lola in DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN ist in ihrem Berufsalltag verbal übergriffigen Männern ausgesetzt, die Arbeitsessen für private Annäherungsversuche missbrauchen. Doch auch Lola lässt sich nie darauf ein, um daraus berufliches Kapital zu schlagen. Der Film schattiert dies mit Szenen, die Lola bei ihrer Fitness-Routine zeigen und einer verbalen Warnung vor einem kalorienreichen Stück Kuchen. Die gesellschaftlichen Erwartungen bezüglich einer attraktiven äußeren Erscheinung von Frauen sind allzeit präsent. Und doch hüllt sich Lola jeden Morgen in strikt eintönige Arbeitsuniformen, die jeglichen Ansatz von Weiblichkeit zu verbergen suchen.

Dieser Bruch im äußeren Auftreten wird auch in TONI ERDMANN deutlich, denn auch Ines trägt eine Art professionelle Schutzmontur. In ihrer wenigen Freizeit hingegen scheint sie sich im Hinblick auf männliche Aufmerksamkeit zu kleiden und tauscht ihre Hosenanzüge gegen sexy Minikleider. Genau wie Lola führt auch Ines eine Affäre am Arbeitsplatz. Doch anstatt durch ein Verhältnis mit einem Vorgesetzten ihre Karriere zu fördern aber auch vielleicht zu gefährden, trifft sie einen Kollegen aus rein sexuellen Motiven.

Es scheint, dass mediale Frauenfiguren es sich nicht leisten können, als Privatmensch wahrgenommen zu werden.

Es ist auffällig, dass die Protagonistinnen in beiden Filmen eine heimliche oder in Ines‘ Fall rein sexuelle Beziehung führen. Auch Jana in BAD BANKS legt ihre Partnerschaft in ihrem Berufsalltag nicht offen dar, obwohl diese zunächst stabil und glücklich erscheint. Dagegen zögert Janas Vorgesetzter beim Vorstellungsgespräch nicht mit Fragen privater Natur: „Kinder haben Sie keine oder?“ und später mit privaten Bekenntnissen zu seiner Vergangenheit. Es scheint, dass mediale Frauenfiguren es sich nicht leisten können, als Privatmensch wahrgenommen zu werden. Janas Beziehung zerbricht schließlich, da sie ihre neue Arbeitsposition priorisiert, was auch zu einer Gefährdung ihrer Gesundheit führt. Doch Jana ist eine Kämpferin, sich ihres Wertes bewusst und bereit, persönliche Opfer für ihre beruflichen Ziele zu bringen. Die berufliche Kompetenz ihrer Kollegin Thao wird dagegen von mangelnder emotionaler Intelligenz untermalt. Ihr knallhartes Vorgehen, dass sie in ihrem beruflichen Alltag an den Tag legen muss um zu bestehen, führt auf persönlicher Ebene zu Problemen. Eine Parallele zeigt sich auch in Christelles dysfunktionaler Beziehung zu ihrem Sohn. Doch auch das Privatleben der männlichen Figuren in BAD BANKS scheitert an den hohen beruflichen Anforderungen der Finanzwelt.

Der Spagat zwischen beruflichen und familiären Anforderungen treibt auch Lola in DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN zu einem nervlichen Zusammenbruch. Erwähnenswert ist die Entscheidung, Lolas Privatleben in erster Linie an einer geschwisterlichen Beziehung zu veranschaulichen und ihr mit Elise eine weibliche Figur als Liebespartner gegenüber zu stellen. Doch Elise lässt sich nicht in das Klischee der fürsorglichen Freundin pressen. Burn-out sei in ihrer Branche „wie Lepra“ entgegnet sie Lola, als sie sie beruflich und privat fallen lässt.

Auch Ines in TONI ERDMANN agiert als Alphatier. Jederzeit in Kontrolle ihrer Affäre mit ihrem Kollegen, wird dies besonders deutlich, als sie ihn zum Masturbieren auf ein Petit Four herausfordert. Ines geht es weniger um Befriedigung als um Macht: „Ich will meinen Biss nicht verlieren“. Der Akt, zu dem Ines ihren Liebhaber herausfordert, erinnert an das Spiel pubertierender Jungs und lässt sie so in deren Liga mitspielen. Als Ines‘ Vater sie besucht, schenkt er ihr eine Käsereibe. Doch Ines verkörpert den Frauentyp, der sich eher im Chefsessel als in der Küche sieht. Trotz fortgeschrittenen Alters scheint Ines nicht an einer ernsten Beziehung interessiert zu sein und ihre Freundschaften begrenzen sich auf oberflächliche Verabredungen in Bars und Clubs. Auch nachdem ihr Vater sie auf emotionale Missstände in ihrem Leben hinweist, findet keine große Läuterung statt. Doch durch die Auseinandersetzung mit ihm lernt sie eine wichtige Lektion bezüglich Life-Work-Balance und zieht durch einen beruflichen Umzug Konsequenzen, wird aber wohl weiterhin konsequent ihren beruflichen Weg verfolgen.

Die Beispiele BAD BANKS und DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN zeigen wie unterschiedlich das Thema Solidarität unter Frauen abgehandelt werden kann. Während Jana in dieser Hinsicht eine Vorbildfunktion für die Zuschauerinnen erfüllt, sind Lola und Elise in ihren beruflichen Strukturen so gefangen, dass ihnen kein Spielraum dafür bleibt. Auch erweist sich hier die Möglichkeit, spannende Generationskonflikte zu erzählen, denn Frauen fortgeschrittenen Alters mussten oft mit ganz anderen beruflichen Gegebenheiten zurechtkommen als jüngere Frauen heute.

Allen Produktionen liegt zugrunde, dass sie Sexismus im Berufsleben sachgerecht thematisieren. Die Frauenfiguren zeichnen sich durch Kompetenz aus und nutzen ihre Sonderstellung als Frau unter Männern nie aus, um ihren beruflichen Werdegang zu fördern. In BAD BANKS wird dagegen das anbiedernde Verhalten der Männer angeprangert. Doch zeigt sich an den Figuren Thao und Elise, dass auch Frauen übergriffig agieren können und nicht als bloße Opfer der Männer im beruflichen Umfeld anzusehen sind.

Wünschenswert wären positive Beispiele privater Beziehungen. Es entsteht der Eindruck, dass diese unweigerlich leiden, wenn eine Frau konsequent ihren beruflichen Weg geht. Dies kann durch die ebenbürtige Darstellung männlicher Beziehungsprobleme gemäßigt werden. Einzig in TONI ERDMANN führt eine persönliche Annäherung zu einer potentiellen Verbesserung der beruflichen Situation einer Frauenfigur.