Der Hype um künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig. KI-Tools wie Midjourney produzieren Bilder, RunwayML erzeugt Videos und GPT-4 verblüffende Texte – und das alles in einer Geschwindigkeit, die uns schwindlig macht. Nur: Wie vielversprechend sind die Ergebnisse mit GPT-4, künstlerisch gesehen?
Die Fähigkeiten von GPT-4, Ideen zu generieren, sind beeindruckend. Loglines, Outlines, Biografien von Figuren, Dialoge, aber auch Shotlists oder Formatierungshilfen, Ideen für den Vertrieb – der Einfluss dieser Maschinen auf die Filmbranche ist nicht zu leugnen. Diese furchteinflößenden Möglichkeiten beginnen gerade, den gesamten Filmherstellungsprozess umzuwälzen. Und man muss sagen: Wir sind noch lange nicht am Ende.
Automatisierte Schreibprozesse hat es immer gegeben, von den Surrealisten bis zum Office-Helferchen Karl Klammer. Neu ist jetzt allerdings, dass wir eine Maschine mit am Tisch sitzen haben, die uns Angst macht, weil sie manchmal mehr kann als wir selbst. Niemand weiß, woraus der Datensatz von GTP-4 eigentlich besteht. Es ist anzunehmen, dass er ohne Nachfrage aus dem Internet zusammenkopiert wurde. Unklar ist auch, nach welchen Kriterien (Algorithmen) dieser dann verarbeitet wurde. GPT-4 ist eine große Blackbox, so wie der Monolith im Film 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM.
Sie kann menschliche Erfahrung auch nur verarbeiten, wenn diese als Text vorliegt, zu allem anderen hat sie keinen Zugang.
Wie verhält sich GPT-4 beim Erfinden von Geschichten? Hier stoßen wir in erster Linie auf ein methodologisches Problem: ihre inhärente Mittelmäßigkeit. Es werden Wort nach Wort aneinandergereiht (buchstäblich kann man dabei zusehen), deren Reihenfolge sich aus der Wahrscheinlichkeit ergibt, mit der sie in ähnlichen Texten aus den Trainingsdaten vorkommen. Wenn man die KI nicht durch geschicktes „Prompting“ steuert, verliert sie sich sehr schnell im Vagen und flüchtet in allgemeine Beschreibungen. Denn sie kann nur Daten reproduzieren, mit denen sie trainiert wurde, aber keine neuen Geschichten von Grund auf erschaffen. Daraus leitet sich ein Mangel an Komplexität und Emotionalität ab.
Sie kann menschliche Erfahrung auch nur verarbeiten, wenn diese als Text vorliegt, zu allem anderen hat sie keinen Zugang.
Daher produziert sie so oft „dürftige Storys“, deren Konflikte wenig subtil durchdekliniert werden, und dies mit einem meist melodramatischen Ton. Man könnte auch sagen: Das hat man dann schon einmal woanders gesehen, und zwar „in besser“.
Ein anderes Problem ist Bias: Sobald man als Location beispielweise Sao Paolo eingibt, ist das Setting der Geschichte eine Drogengang, bei Berlin sind die Figuren meist Graffiti-Künstlerinnen, und in Norwegen kauzige Fischer. Das erzählt einiges über unsere Geschichten, ist aber wenig hilfreich beim Schreiben, – Klischees kann ich mir selbst ausdenken. Außerdem weigert sich GPT, Sex-Szenen zu schreiben, die KI biegt immer ab ins „FADE OUT“. Maximal Küssen ist erlaubt. Das gleiche gilt für Drogen oder Fluchen. Szenen mit Waffen und Schießereien sind allerdings en détail erlaubt. Wir stehen hier also auch vor einem großen interkulturellen Problem, denn unsere europäische Kultur und Werte haben sehr wenig gemein mit den Tech-Träumen des Silicon Valley.
Daher nennen viele diese Sprachmodelle auch „stochastische Papageien“, weil sie einfach nur nachplappern, was sie in ihren Trainingsdaten aufgeschnappt haben.
Künstlerisch gesehen ist das größte Manko der KI wahrscheinlich, dass sie Bedeutung nur simulieren kann. Sie weiß gar nicht, was Bedeutung ist, denn sie hat kein Bewusstsein und keine Motivation. KI kann die Form, aber nicht den Inhalt liefern.
Figuren, Handlungsstränge, Setting und Dialoge können generiert werden, aber sie existieren in einem Vakuum, nur als Text, ohne die tiefere menschliche Resonanz und ohne einen „Grund“, geschrieben von einer Maschine ohne Gefühle, Wünsche, Ironie oder Hunger. Daher nennen viele diese Sprachmodelle auch „stochastische Papageien“, weil sie einfach nur nachplappern, was sie in ihren Trainingsdaten aufgeschnappt haben.
Trotz aller Einschränkungen ist eines sicher: KI wird bleiben. Wir können sie als nie-müden Schreibkompagnon nehmen, der uns Inspiration liefert, wenn wir gerade selbst keine haben, oder der uns lästige Aufgaben abnimmt, wie Szenen-Nummerierungen oder auch interessantere wie: „In welchem Tonfall spricht die Figur?“ Aber als künstlerische Schreibhilfe, als echte Partnerin? Dafür ist GPT derzeit noch viel zu schwach. Noch – denn die Modelle werden wöchentlich leistungsfähiger. Wenn wir als europäische Filmschaffende (meist auch ohne gewerkschaftliche Lobby) diesem Mittelmaß und dem Druck nach Effizienz nachgeben, riskieren wir, dass wir Lektor*innen von maschinengeschriebenen Inhalten werden. Wenn wir aber lernen, mit den KI-Tools künstlerisch umzugehen, könnten unsere Geschichten vielfältiger und mutiger werden. Das ist die eigentliche Herausforderung.